Kommunalreform – ein Schreckgespenst?

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Die Kommunalreform – was ist das eigentlich? Zurzeit bewegt sie die Gemüter der Kommunalpolitiker Land auf – Land ab. Vor allem in der Verbandsgemeinde Linz am Rhein wird heiß darüber diskutiert. Von einem Diktat der Landesregierung ist hier sogar die Rede. Aber was verbirgt sich hinter dieser Reform und was bedeutet sie für die Bürger?

Die Kommunalreform dient der Neuorganisation der Strukturen im Land. Betrachtet man Rheinland-Pfalz (RLP) unter organisatorischen Gesichtspunkten, so fällt auf, dass es die höchste Anzahl an Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) aufweist. Das Land gliedert sich in 24 Landkreise, 12 kreisfreie Städte und ca. 2.300 kreisangehörige Gemeinden bei ca. 4 Millionen Einwohnern und zeichnet sich damit durch eine ausgesprochen kleinteilige Struktur aus. Einige dieser Gemeinden sind so klein, dass nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Überleben mehr als fraglich ist. Das Land hat sich nun auf die Fahnen geschrieben die Strukturen so anzupassen, dass Gemeinden zukunftssicher aufgestellt werden und weiterhin ein hohes Maß an föderaler Selbstständigkeit behalten.

Eine erste Kommunal-(Gebiets-)reform gab es bereits zwischen 1969 und 1974. Damals wurden sowohl Regierungsbezirke, Landkreise als auch Gemeinden und Verbandsgemeinden zusammengelegt, oder auch verselbstständigt. Ziel war es, die Effektivität der kommunalen Organisationen und deren finanziellen Spielraum zu verbessern. Ein finanzieller Ausgleich zwischen wohlhabenden und weniger wohlhabenden Gemeinden hat dazu in erheblichem Maße beigetragen. Der solidarische Gedanke stand damals und steht auch heute wieder im Vordergrund.

Warum aber erneut eine Kommunalreform? Studien renommierter Experten haben ergeben, dass zukünftig, auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung, nur Gemeinden einer bestimmten Größenordnung eine Überlebenschance haben. Dabei ist jedoch nicht nur die Bevölkerungszahl, sondern auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gemeinden von Bedeutung. Eine Gemeinde muss in der Lage sein, die kommunale Selbstverwaltung mit Leben zu erfüllen. Was gleichbedeutend ist mit der Frage, ob Unternehmen und /oder Einrichtungen in der Gemeinde angesiedelt sind, die durch ihre Steuern und Abgaben das notwendige finanzielle Polster sicherstellen. Gemeinde bedeutet hier auch Verbandsgemeinde (VG). Innerhalb einer VG gilt der Solidargedanke besonders. Gemeinden, die nur über begrenzte Einnahmen verfügen, können sich auf die Unterstützung – in Form von Abgaben – der anderen Gemeinden verlassen.

In der Folge hat der Landtag RLP das „Landesgesetz über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform (KomVwRGrG)“ beschlossen. Das Gesetz ist am 06.10.2010 in Kraft getreten. Ziel ist es, wie auch vor 40 Jahren, die Strukturen für den Bürger effektiver zu gestalten und den Verbandsgemeinden eine Zukunft mit einem hohen Maß an Spielraum zu ermöglichen. Gemeint ist hier – man mag es bedauern – auch der finanzielle Spielraum. Das Gesetz sieht vor, dass Verbandsgemeinden mindestens über 12.000 Einwohner verfügen müssen oder wirtschaftlich in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Ebenso sind landschaftliche und topografische Gegebenheiten von Bedeutung. Sind diese Kriterien jedoch nicht erfüllt, – die Aufzählung erhebt hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit -, steht eine Fusion mit einer anderen VG an.

Steht so ein Fall an, eröffnet das Gesetz den Verbandsgemeinden die Möglichkeit, sich einen Fusionspartner zu suchen, mit dem sinnvollerweise eine gemeinsame Ortsgrenzen und interne Verbindungen bestehen. Es gibt aber auch Fälle, die anders geartet sind. Es gibt Verbandsgemeinden, die die o.g. Kriterien erfüllen und somit allein weiterbestehen könnten. Aber auch sie können zu einer Fusion aufgefordert werden. Nämlich dann, wenn einer ihrer Nachbarn zum Fusionskandidaten wird, weil er die Kriterien nicht erfüllt und kein anderer Partner zur Verfügung steht.

So etwas ist nun der VG Linz passiert. Obwohl Linz  anhand er Bevölkerungszahl und der Wirtschaftskraft allein weiterbestehen könnte, erreichte sie im Juli diesen Jahres ein Schreiben des Innenministeriums, aus dem hervorgeht, dass ein Zusammenschluss mit Bad Hönningen eine sehr gute Lösung sei. Hintergrund ist, dass Bad Hönningen die o.g. Kriterien nicht erfüllt und somit fusionieren muss. Mit im Spiel ist auch noch die VG Unkel, die zwar wie Linz eigenständig bleiben könnte, aber ein großes Interesse an einem freiwilligen Zusammenschluss mit Linz und Bad Hönningen  signalisiert hat.

Der Brief aus Mainz hat zu heftigen Reaktionen beim Bürgermeister der VG Linz geführt, der sich vehement gegen diese „Zwangsehe“ und – die aus seiner Sicht – damit verbundenen Nachteile wehrt. In einer ganzen Serie von Veröffentlichungen wird immer wieder hervorgehoben, dass sich u.a. durch die Fusion die Abgabenlast der Ortsgemeinden erhöhen wird und die seinerzeit durch das Gesetz festgelegten Kriterien heute überholt sind. Wissen muss man in diesem Zusammenhang, dass der Verfassungsgerichtshof RLP (LVG) das KomVwRGrG für verfassungskonform erklärt hat. Es ist damit die anerkannte Grundlage für alle weiteren Maßnahmen der Reform.

In einer Veröffentlichung ist sogar die Rede davon, dass die Existenz einzelner Ortsgemeinden durch eine Fusion bedroht sei. Als Basis für diese Argumentation wird jeweils die so genannte „Dornbach-Studie“ herangezogen, die viele – alle wäre zu viel gesagt – Aspekte eines Zusammenschlusses untersucht hat. So wird auch die Entwicklung der Abgaben aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und kommt im Ergebnis zu einer oberen und unteren Grenze der Abgaben. In der Tat wird es zu einer Erhöhung der Abgaben kommen. Betroffen ist davon aber nicht nur Linz, sondern auch Bad Hönningen, denn dort stehen z.B. nach einer Fusion deutlich höhere Abgaben für Abwasser an, während sie in Linz sinken.

Aber kann man alles auf den finanziellen Aspekt herunterbrechen? Hier ist auch Solidarität mit den wirtschaftlich nicht so gut aufgestellten Gemeinden gefordert. Gerade in der VG Linz müsste hierfür großes Verständnis herrschen. Größte Umlagenzahler sind die so genannten „Höhengemeinden“ St. Katharinen und Vettelschoß, die gemeinsam den Wirtschaftsmotor der VG Linz a. Rhein darstellen und von deren Abgaben auch die anderen Ortsgemeinden in hohem Maße profitieren.

Zu den Vorteilen einer Fusion gehört, dass mittel- bis langfristig Doppelstrukturen in der Verwaltung beseitigt werden können und durch die Bündelung von Personal – und damit Fachwissen – den Bürger ein besserer Service geboten werden kann.

Verständigt man sich auf einen freiwilligen Zusammenschluss, können die Beteiligten ihre zukünftige Struktur und Organisation in hohem Maße selber gestalten. Das betrifft neben Strukturen auch die viel gestressten Umlagen. Nicht zwangsläufig müssen sich Umlagen oder auch die Verpflichtungen einer Alt-VG über die gesamte neue VG erstrecken, sondern können zunächst für max. 10 Jahre im hergebrachten Bereich verbleiben. Das Land gibt bei freiwilliger Fusion noch einen Zuschuss in Höhe von 1 Mio € je beteiligter Verbandsgemeinde.

Der fällt allerdings weg, wenn das Land die Fusion verordnen muss. Ebenfalls ist in diesem Fall der Gestaltungsspielraum der Beteiligten begrenzt. Das Land greift bei einer „Zwangsfusion“ erheblich tiefer in den Fusionsprozess ein. Viele betroffene Verbandsgemeinden im Land und auch im Kreis Neuwied, bei denen ein Gebietsänderungsbedarf festgestellt wurde, haben erfolgreich den Weg der freiwilligen Fusion gewählt.

Andere Gemeinden haben es darauf ankommen lassen. Bei ihnen wurde die Fusion gesetzlich geregelt, es kam also zu einer „Zwangsfusion“. Aus diesem Kreis haben sieben Verbandsgemeinden Normenkontrollanträge beim LVG mit dem Ziel, eine Fusion zu verhindern gestellt. In einem Fall war der Antrag erfolgreich und es kam nicht zu einer Fusion. Das LVG begründete sein Urteil damit, dass die betroffene Gemeinde sehr wohl den Kriterien des KomVwRGrG entsprach.

Bei den weiteren Fällen entschied das LVG, dass die gesetzlich verordnete Fusion rechtens ist. Die Situation dieser Verbandsgemeinden ist mit der VG Linz a. Rhein vergleichbar: eine VG, die keinen Gebietsänderungsbedarf hat, muss mit einer VG mit Bedarf fusionieren. Die Zusammenführung wurde in jedem der Fälle als zumutbar bewertet, auch wenn sich dadurch die finanzielle Belastung erhöhte. Das LVG hat hier den Begriff der „passiven Fusionspflicht“ geprägt. Das Argument, hier sei man in seiner kommunalen Selbstverwaltung eingeschränkt, hat das LVG regelmäßig verworfen. Daran konnten auch Bürgerentscheide nichts ändern.

Das Innenministerium in Mainz hat in einem Gespräch mit dem Bürgermeister der VG Linz den Druck aus dem Kessel genommen. Der ursprünglich sehr kurzfristige Termin für eine Entscheidung über die Fusion mit Bad Hönningen wurde bis 2019 verlängert. Diese Frist wurde zuvor auch schon anderen Fusionskandidaten eingeräumt. Zu prüfen ist danach in dem verbleibenden Zeitraum, ob eine freiwillige Fusion unter der Einbeziehung der VG Unkel realisiert werden kann. Akut steht eine Zwangsfusion also nicht an. Einigt man sich aber nicht, steht man 2019 vor der gleichen Situation wie heute.

Die Position der Höhengemeinden in der Fusionsfrage ist ambivalent. Sie lehnen eine Fusion mit der Begründung der zu erwartenden Erhöhung der Umlagen ab. Beide Gemeinden bringen schon heute die Masse der Finanzmittel für die VG Linz auf. Die VG Linz solle auch vor diesem Hintergrund ihre Eigenständigkeit behalten, so die beiden Höhengemeinden. Gleichzeitig führt man mit dem „Lenkungsausschuss Fusion der VG Asbach“ Gespräche, ob eine Angliederung an die VG denkbar und möglich ist. Ob das zukünftig ein Vorteil für die beiden Gemeinden ist, steht in den Sternen. Aber nicht nur St. Katharinen und Vettelschoß haben diesen Schritt in Erwägung gezogen, auch die Gemeinde Leutesdorf (VG Bad Hönningen) hat die Diskussion über ein Ausscheiden aus der VG und einen Anschluss an die Stadt Neuwied eröffnet.

Gesetzlich besteht grundsätzlich die Möglichkeit aus einer VG auszuscheiden und sich einer anderen anzuschließen, also freiwillig zu fusionieren. Mit den §§ 10 und 11 in der Gemeindeordnung (GemO) sind entsprechende Regelungen getroffen, die einen solchen Schritt jederzeit ermöglichen. Solange jedoch das KomVwRGrG in Kraft ist, gelten seine Bestimmungen auch in diesem Fall. Es ist also das höherwertige Gesetz.

Nach KomVwRGrG § 3 müssen einer freiwilligen Fusion immer die VG-Räte und die Räte der Ortsgemeinden (OG) der aufnehmenden und der abgebenden VG zustimmen. Dabei müssen jeweils mehr als die Hälfte der OG der beteiligten Verbandsgemeinden sich damit einverstanden erklären. Man beachte in diesem Zusammenhang die Anzahl der OG, die in der VG Linz vereint sind. Auch wenn die Höhengemeinden willig sind, ist schwer vorstellbar, dass die anderen OG zustimmen und sich damit freiwillig den Geldhahn abdrehen.

Aber der Gesetzgeber hat noch eine weitaus höhere Hürde errichtet und die heißt „Gemeinwohl“. Sowohl die GemO als auch das KomVwRGrG stellen alle Fusionen – freiwillig oder per Gesetz verordnet – unter den Vorbehalt des Gemeinwohls. Die letzte Entscheidung, auch bei einer freiwilligen Fusion, liegt bei der Aufsichtsbehörde. Sie entscheidet als letzte Instanz, ob die Fusion im Sinne des Gemeinwohls ist. Das LVG hat in sechs von sieben Verhandlungen mit seinen Urteile ausdrücklich anerkannt, dass die gesetzlich verordneten Fusionen dem Gemeinwohl dienen.

Gemeinwohl, ein schwer zu fassender Begriff. Oftmals wird er heute von Gruppierungen herangezogen, um ihre Interessen gegenüber einer größeren Gemeinschaft zu kaschieren bzw. durchzusetzen. Dahingegen wird der Begriff allgemein verstanden als „… Gegenbegriff zu bloßen Einzel- und Gruppeninteressen innerhalb einer Gemeinschaft“. Also genau das Gegenteil. Hat da im Zusammenhang mit der Fusion die Interessenlage von zwei Gemeinden Vorrang vor dem – größeren – Rest in der VG? Wohl kaum! Wie schon erwähnt liegt die letzte Entscheidung bei der Aufsichtsbehörde.

Dem KomVwRGrG gingen eine Reihe von Gutachten voraus, die zu dem Ergebnis führten, dass nur Gebietskörperschaften ab einer gewissen Größenordnung und Leistungsfähigkeit ihre kommunalen und staatlich verordneten Aufgaben werden erfüllen können. Dabei hat man sich auch an den Erfahrungen aus anderen Bundesländern orientiert, die diesen Prozess schon durchlaufen haben und so die Leistungsfähigkeit ihrer Kommunen gesteigert und zum finanziellen Ausgleich beigetragen haben. Typisch für alle Reformen ist aber auch, dass manche Aspekte erst mittel- bis langfristig wirken und zunächst nicht wahrgenommen werden. Anders dagegen die Effekte, die als nachteilig empfunden werden und sofort Gegenstand heftiger politischer Diskussionen werden.

Festzuhalten bleibt, dass es noch viele offene Fragen gibt, dass bei Weitem noch nicht alles geklärt ist und es noch viel zu gestalten und organisieren gibt. Hier muss der Bürger aktiv einbezogen werden, denn er ist schließlich der Betroffene!